Plötzlich Pflegefall – was tun?

Wohnen im Alter | Vortrag

Stadt und Gewobau greifen wichtiges Thema nicht nur für Mieter und deren Angehörige auf: Annerut Marx vom Pflegestützpunkt referierte vor rund 50 interessierten Gästen, darunter Mieter und Angehörige von Pflegefällen in Familien, im Markus-Zentrum. Hier geht’s weiter zum Bericht – mit Schritt-für-Schritt-Anleitung, was im Notfall zu tun ist.

Ein schlimmer Sturz, ein Schlaganfall, ein Unglück im Haushalt, am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr. Eine schleichende Demenz oder eine unbemerkte Erkrankung – wie schnell heißt es „Plötzlich Pflegefall – was tun?“ Zu diesem Thema luden Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer und Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger Mieter der Gewobau und interessierte Bewohner im Stadtgebiet in das Markus-Zentrum ein. Annerut Marx vom Pflegestützpunkt referierte in einem Impulsvortrag über die maßgeblichen ersten Schritte im Ernstfall. Ihr Vortrag machte Mut, sich besser frühzeitig über Hilfsangebote, Anlaufstellen und beispielsweise Zuschüsse für barrierefreie Umbauten zu informieren und das unbeliebte und angsteinflößende Thema „Pflegefall“ beherzt anzugehen.

Schritt 1: Überblick verschaffen und in Ruhe entscheiden

„Ganz plötzlich stehen Betroffene wie Angehörige vor sehr vielen ungeklärten Fragen“, schilderte Annerut Marx aus ihrer täglichen Praxis. „Wichtig ist, sich einen Überblick über die verschiedenen Hilfsangebote zu verschaffen und dann in Ruhe zu entscheiden, was für den individuellen Fall nötig und richtig ist.“ Die Diplom-Sozialarbeiterin, Pflegeberaterin und zertifizierte Case-Managerin arbeitet im Pflegestützpunkt I in der Wilhelmstraße 84-86. Unter diesem Dach wurden insgesamt drei Pflegestützpunkte zu einem zentralen Pflegestützpunkt zusammengelegt. Dort können sich gesetzlich Versicherte über Themen rund um die Pflege kostenlos beraten lassen. Bei Bedarf werden auch in Absprache mit den Ratsuchenden Hilfen organisiert und koordiniert. Darüber hinaus geht es Marx und ihren Kolleginnen auch Information im Vorfeld durch Vorträge und Schulungen.

Wohnen im Alter | VortragSo sei den wenigsten klar, dass Patienten, die in einem Krankenhaus stationär behandelt werden, oder deren Angehörige zunächst beim Sozialdienst des Krankenhauses konkrete Unterstützung und Beratung zur Unterbringung oder zu notwendigen Hilfsmitteln erhalten. Gesetzlich ist dies im Entlassmanagment verankert, jedoch werde dies von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich gehandhabt. „Es lohnt sich auf jeden Fall, nachzufragen, sollte der Sozialdienst nicht von selbst auf einen zukommen“, rät Marx.

Schritt 2: Klären, inwieweit die Selbständigkeit eingeschränkt ist

Auch bei der Einstufung der Pflegebedürftigkeit gibt es Missverständnisse: „Viele glauben, der Hilfsbedarf im Bereich der Haushaltsführung reicht für einen Pflegegrad aus, das ist nicht so“, sagt Marx. „Entscheidend ist, inwieweit ich in meiner Selbständigkeit eingeschränkt bin“, erläutert die Fachfrau. Die Pflegekasse betrachtet dazu sechs Lebensbereiche: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, die Möglichkeit zur Selbstversorgung, etwa zu eigenen Körperhygiene, der Umgang mit Therapieanforderungen, die Gestaltung des Alltagslebens und letztlich die Einschränkung der sozialen Kontakte. „Eine Selbständigkeit ist eingeschränkt, wenn man die Hilfe einer anderen Person braucht“, verdeutlicht Marx. „Viele schämen sich, diese Einschränkungen konkret zu benennen, etwa, dass sie nicht mehr allein zur Toilette gehen können, das ist aber wichtig für den Gutachter.“

Schritt 3: Hilfsmittel und Zuschüsse beantragen

Auch bevor es zu einem Pflegegrad kommt, kann Hilfe bereits nötig sein. Marx gibt ein praktisches Beispiel: „Beispielsweise geht es um eine Badewannensitz. Ich empfehle, zunächst mal in ein Sanitätshaus zu gehen und Hilfsmittel einfach mal auszuprobieren. Die Sanitätshäuser wissen auch genau, was auf dem Rezept stehen muss, in der Regel kann man sich das Hilfsmittel dann unproblematisch vom Hausarzt verschreiben lassen.“ Ab dem Pflegegrad I kann ein Zuschuss für barrierefreie Umbauten beantragt werden, bis zu 4000 Euro schießt die Pflegekasse z.B. für Rampen oder Handläufe dazu. Für einen Badezimmer-Umbau mit barrierefreier Dusche reiche diese Summe indes nicht, „aber hier könnten Vermieter und Mieter gemeinsam eine Lösung suchen und damit eine Win-Win-Situation für beide schaffen.“

Gewobau: Möglichst lange Mieter bleiben

Das sieht auch Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger so. „Uns ist vor allem daran gelegen, dass unsere Mieter möglichst lange in ihren Wohnungen verbleiben können“, sagt Seeger. Denn vor allem eine treue Mieterschaft sichere die ausgewogene Balance im Quartier. Als Vermieterin sieht Seeger die Gewobau auch in einer sozialen Verantwortung: „Einige unserer Mieter und Mieterinnen wohnen bei uns schon 40 Jahre und länger, einige sogar schon ihr ganzes Leben lang. Wir würden uns freuen, wenn diese Mieter eine Möglichkeit sehen, weiterhin möglichst lange bei uns zu wohnen.“ Die Gewobau konzipiert Neubauten generell barrierefrei und zudem meistens rollstuhlgerecht, Altbauten würden bei Bedarf je nach Wirtschaftlichkeit und Grundriss auch umgebaut. „Uns ist es wichtig, die Bedürfnisse der Mieter aus erster Hand zu erfahren, deshalb informieren wir darüber in Veranstaltungen wie dieser.“

Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Gewobau ist, hofft, dass das 2018 gegründete „Pflegenetzwerk Bad Kreuznach“ von den Institutionen weiterhin aktiv ausgebaut wird. „Gute Pflege und ein möglichst selbständiges Leben im Alter sind wichtige Faktoren für das gesellschaftliche Zusammenleben in dieser Stadt. Indem wir dies auch im Bereich des Wohnens berücksichtigen und ältere Menschen in ihrem Umfeld weiterhin integrieren, sofern dies möglich ist, erreichen wir einen gesunden generationenübergreifenden Austausch in den Quartieren!“

Alle Angebote rund um die häusliche Pflege und Unterbringung von Pflegebedürftigen sind im „Seniorenwegweiser“ der Stadt und des Landkreises Bad Kreuznach aufgeführt: http://www.kh.seniorenwegweiser.eu